Kundin oder Freundin? Das war die Überschrift über eine Episode aus meinem Podcast und dabei bin ich auch über das Thema Freundschaftspreise ja oder nein gestolpert.
Dabei fielen mir auch meine eigenen Anfänge in der Selbständigkeit ein, in der ich etliche Fehler gemacht hatte, ohne allerdings zu wissen, dass es danach harte Arbeit für mich bedeuten würde, aus dieser Freundschafts-Falle wieder herauszukommen.
Nicht nur, was mein Angebot anging, sondern vor allem meine eigenen Überzeugungen standen mir, auch durch diese Fehler, immer wieder im Weg.
Vielleicht geht es dir genauso und du fragst dich, wie du es schaffen kannst, Freundschaften zu erhalten, aber trotzdem aus dieser Falle zu kommen.
Darum geht's hier:
Irgendwo musst du anfangen – warum nicht mit einem Freundschaftspreis?
In allen Ausbildungen, an deren Ende ein Diplom oder Ähnliches stand, war es Teil davon, für den Abschluss auch Arbeitsproben abzugeben. Und die bestanden in den Coaching-Ausbildungen natürlich aus der Dokumentation von Coaching-Sessions.
Doch woher Coachees nehmen und nicht stehlen? Man schaut sich natürlich im Freundeskreis und bei Bekannten um und freut sich, wenn sich jemand zur Verfügung stellt.
Zwar haben die TrainerInnen darauf bestanden, dass wir diese Probearbeiten nicht umsonst machen, sondern Geld dafür verlangen sollten.
Ich weiß, dass trotzdem einige meiner KollegInnen ihre Dienstleistung gratis erbracht haben, um überhaupt jemanden zu finden.
Damit ist meist der Weg von der Ausbildung in das Niedrigpreis-Segment fast vorgegeben.
Nicht nur im Coaching-Business, auch in jeder anderen Dienstleistung oder Beratung sind sich die „Frischlinge“ ihres Wertes nicht bewusst, woher auch!
„Freunde sollten fördern, nicht fordern“
Das ist ein Zitat, das auf den ersten Blick völlig logisch klingt, aber auf den zweiten Blick nicht für alle Situationen zutrifft, in denen es um preisliche Gefälligkeiten geht.
Eine Situation, wenn du ganz am Anfang deines Business oder am Ende deiner Ausbildung(en) stehst, habe ich schon gezeichnet. Darin fordern deine Freunde eigentlich nichts von dir (zumindest zu Beginn), sondern unterstützen dich mit ihrer Zeit, damit du lernen kannst.
Eine ganz andere Situation ist es allerdings, wenn Freunde oder Bekannte bei dir anfragen, ob du deine Leistung für sie mit Rabatt abrechnen könntest. Dann bin ich zu 100 % bei diesem Zitat-Geber.
Die Falle hinter Freundschaftspreisen
Sicher kennst du das Zitat „Wenn du billig kaufst, kaufst du doppelt.“ Ich denke da zum Beispiel an meine Tochter, die für ihren ersten Roman ein günstiges Lektorat gefunden hatte – und dann die Veröffentlichung ihres Buches dreimal verschieben musste, weil die Lektorin keine Priorität auf diese Arbeit gelegt hat. Nur, um es auch einmal aus der Sicht der Kundin zu zeigen …
Dieses Zitat lässt sich aber auch auf die Situation mit den Freundschaftspreisen umformulieren:
Wenn du billig arbeitest, arbeitest du doppelt!
Du wirst in den Beispielen aus der Praxis sehr schön sehen können, worin die Falle bestehen kann:
- Neben deinen Freunden wirst du „echte“ Kunden gewinnen können, die zum regulären Preis buchen – deine Zeit für die für dich finanziell nicht so attraktiven Aufträge wird weniger.
- Du fühlst dich und deine Arbeit irgendwann nicht mehr wertgeschätzt.
- Diese zu Beginn „Ausnahmen“ eines kleinen Preises werden für die Betroffenen zur Regel und du tust dir schwer, das abzudrehen.
- Die Erwartungen deiner ersten KundInnen ist hoch, dein Engagement dafür aber immer niedriger, weil du inzwischen weißt, was deine Arbeit wert ist.
- Du weißt nicht, wie du mit Folgeaufträgen dieser KundInnen umgehen sollst und lehnst sie lieber ab.
- Oder du fühlst dich einfach verpflichtet, so weiterzumachen wie bisher.
Das kann Freundschaften zerstören.
Freunde sind oft nicht deine Wunschkunden
Ich werde immer wieder von KundInnen gefragt, wieso ich denn eigentlich ihre Fanpage nicht like oder ihren Instagram- oder YouTube-Kanal abonniere. Meine Gegenfrage lautet dann immer: „Bin ich wirklich deine Wunschkundin?“ Nein, bin ich nicht, weswegen ich ihr mit so einem Like oder Abo nichts Gutes tun würde.
WunschkundInnen sollten Menschen sein, für die du nicht nur das richtige Produkt anbietest, sondern solche, die deine Arbeit wertschätzen und den Betrag dafür bezahlen möchten!
Frag dich also bei jeder Anfrage mit Rabatt-Wunsch, ob diese Person wirklich dein Wunschkunde ist.
Und wie sieht’s innerhalb der Familie aus?
Oh, heißes Thema – und schwierig.
Als ich das erste Mal die Homepage meiner Mutter (sie ist Aquarell-Malerin) programmiert habe, und damals war das noch echtest Programmieren, kein WordPress, wollte ich das natürlich gratis machen.
Das ließen meine Eltern allerdings nicht zu, denn sie wussten, dass ich neben meiner Anstellung wenig Zeit hatte, um meine Selbständigkeit aufzubauen. Diese Zeit wollten sie nicht kostenlos in die Homepage gesteckt wissen.
Also nahm ich das absolute Minimum als Preis und habe auch nur die Hälfte der Zeit verrechnet, die ich wirklich daran gesessen habe, um beiden Seiten halbwegs gerecht zu werden.
Aber zu Familie können natürlich auch wesentlich weiter entfernte Personen gehören und ich würde heute immer, ohne Ausnahme, eine Anfrage aus der Familie an vertrauenswürdige KollegInnen weitergeben, auch wenn es eine einmalige Sache wäre.
Das war damals nämlich ein ziemlicher Druck für mich – obwohl meine Eltern immer gesagt hatten „nur wenn du Zeit hast“.
Danke fürs Zuhören!
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Von günstig zu marktüblich
Jetzt aber Schluss mit Warnungen, was kannst du denn tun, wenn du mit Einstiegspreisen oder Freundschaftspreisen gestartet bist, um mit gutem Gefühl und Erfolg zu marktüblichen Preisen zu kommen und das zu verdienen, was deine Selbständigkeit auch rentabel macht.
Deine Entwicklung wertschätzen
Bevor deine Auftraggeber deine Arbeit wertschätzen, musst du es selbst tun!
Mit jeder Stunde, die du in deine Ausbildung oder Erfahrung steckst, steigt dein Wert. Viele vergessen übrigens auch das viele Geld, das sie in Ausbildungen investieren, um für ihre KundInnen besser zu werden.
Denk nur einmal an Lehrlinge (in Deutschland Auszubildende genannt). Sie beginnen, weil sie lernen, mit einem geringen Stundensatz. Sobald sie aber die Gesellen- oder sogar die Meisterprüfung abgelegt haben, werden ihre Leistungen von einem Tag auf den anderen wesentlich teurer abgerechnet.
Und niemand regt sich darüber auf, dass das so sprunghaft passiert.
Vielleicht fällt es dir schwer, sofort zu verdoppeln oder zu verdreifachen (mir ging es jedenfalls so), aber ich diesen Tipp gebe ich immer meinen KundInnen:
- Für NeukundInnen rufst du den neuen, höheren Preis aus.
- Für BestandskundInnen bleibt er gleich, mit Ankündigung, wann er sich auch für sie erhöhen wird. Er darf vielleicht immer noch unter dem Normalpreis liegen, damit der Sprung nicht so hoch ist.
Eine kleine Geschichte zum Nachdenken habe ich noch, die mir immer wieder in den Sinn kommt, wenn ich selbst überlege, ob ich meine Preise erhöhen soll:
Eine Kollegin hatte einen Selbstlernkurs für 49 € verkauft – und die Buchungen liefen nur sehr zäh bis gar nicht. Nach einiger Zeit hat sie die Kosten auf 490 € erhöht, ohne irgendetwas an dem Kurs zu ändern. Und du wirst es ahnen, ab da lief der Verkauf wie am Schnürchen.
Klare Regeln für deine Dienstleistung vereinbaren
Über klare Regeln habe ich schon in dieser kurzen Podcast-Episode gesprochen, daher binde ich sie dir hier ein.
Gibt es einen Mittelweg?
Ja, klar gibt’s den und niemand kann dir vorschreiben, wie viel Geld du verlangen sollst oder was du gratis geben darfst. Das ist ja das Schöne an der Selbständigkeit. Trotzdem darfst du immer daran denken, dass dein Business kein Selbstzweck ist, sondern dich und vielleicht sogar deine Familie ernähren soll.
- Entscheide selbst, ob du zum Beispiel ganz bewusst manchmal pro Bono arbeitest, wenn du ansonsten mit deinem Business erfolgreich bist. Bei mir war das einmal der Fall, als ich eine sozial extrem engagierte Frau pro Bono in mein Halbjahresprogramm aufgenommen habe, weil sie sich das auf keinen Fall leisten, aber gut brauchen konnte.
- Oder du machst es wie redigieren.org, die ganz offensiv manchmal mit, wie sie es nennen, Spezipreisen arbeiten.
- Auch die Vorgehensweise mit der Staffelung, die ich dir für Neu- und Bestandskunden gezeigt habe, hilft dir, dich daran zu gewöhnen.
- Gib lieber mehr Energie in fantastische, hochwertige 0€-Produkte, mit denen du denjenigen weiterhelfen kannst, die sich deine regulären Angebote (noch) nicht leisten können.
- Oder kennst du das Prinzip des Caffè sospeso … Ich habe keine spontane Idee, wie du das umsetzen könntest, aber damit könntest du auch denjenigen helfen, die (noch) auf Unterstützung angewiesen sind.
Wenn du das Gefühl hast, du kommst aus der Nummer nicht raus
Ich fürchte, da gibt es nur eine Möglichkeit, und zwar ein klarer harter Schnitt.
Sprich mit deinen KundInnen, die du nicht weiter begleiten möchtest und sage ganz offen, dass es so für dich nicht mehr passt. Dann haben sie entweder die Möglichkeit, mehr zu zahlen, oder sich an Menschen wenden, die das bieten, was sie benötigen.
Wenn du entweder eine bestimmte Leistung nicht mehr anbieten möchtest, oder nicht mehr zu diesen Bedingungen anbieten möchtest, dann kann dir auch ein Umpositionieren bzw. die Schärfung deiner Positionierung dabei helfen.
Ich selbst habe mein Business dreimal völlig neu erfunden. Sowohl was die Zielgruppe, als auch die Branche angeht. Natürlich hätte ich dann die BestandskundInnen weiter betreuen können. Wollte ich aber nicht. Unter anderem auch deswegen, weil das neue Business jeweils andere Entgelte erfordert haben.
Beispiele für Freundschaftspreise mit Nebenwirkungen
Kommen wir zu den Erfahrungen zwei meiner Kundinnen und von mir selbst.
Vorsicht bei Gegengeschäften
Auch Gegengeschäfte können eine Art von Freundschaftspreis sein. Und meine Erfahrung mit einer meiner ersten Kundinnen, die ganz dringend eine neue Webseite brauchte, aber kein Geld dafür hatte, geht genau in diese Richtung.
Sie war Künstlerin, meine Tochter begeisterte Kreative (hier ist übrigens ihr erster Roman ) und da ich aus der Programmierung kam, hat sie mir ein Tauschgeschäft vorgeschlagen:
„Deine Tochter kann bei meinen Malkursen dabei sein und du baust mir eine Homepage!“
Das hat damals großartig geklungen, sie hat auch einen Geburtstag meiner Tochter ganz toll künstlerisch mit den Kindern gestaltet – und trotzdem war das ein Riesenfehler von mir.
Denn was wir vorher nicht besprochen hatten (weil wir ja irgendwie auch „befreundet“ waren), waren folgende Rahmenbedingungen:
- Rechnen wir nach Stunden ab? Also 1 Stunde Malkurs = 1 Stunde Homepage erstellen?
- Oder geht’s eher um 1 Malkurs (oder der Geburtstag) kostet X € und eine Stunde Homepage erstellen kostet Y € und damit wird gegengerechnet?
- Wann ist das Projekt „Homepage erstellen“ abgeschlossen?
- Was kosten nach Abschluss des Projektes Änderungen?
- Was kostet die regelmäßige technische Wartung?
- Was passiert, wenn meine Tochter irgendwann keine Lust mehr auf die Malkurse hat? Kann ja vorkommen.
Anhand dieser Aufzählung ahnst du schon, was dann wohl passiert ist.
Die Homepage war in ihren Augen eigentlich nie fertig, meine Tochter hatte keine Lust mehr auf die Malkurse, irgendwann konnten wir nicht mehr behaupten, befreundet zu sein und im Endeffekt hat mir dieses Gegengeschäft eine Menge Ärger gebracht und mich eine Freundschaft gekostet.
Irgendwann habe ich dann auf knapp 1.000 € verzichtet, nur um aus dieser Nummer rauszukommen …
Der freundschaftliche Kaffee
Martha Boeglin hat mir folgende Erfahrung erzählt:
„Ich habe Kundinnen, die mir sagen: Melde dich, wenn du in XY bist! Wir gehen Kaffee trinken!
Ich freue mich natürlich immer darauf, mit einem Einheimischen in einer fremden Stadt Kaffee zu trinken.
Aber dann artet das Treffen schnell in ein kostenloses Coaching aus.
Denn irgendwann kommen wir auf das Schreiben. Und dann hat sie noch diese Frage, und dieses Problem – wen nicht sogar den Text zufällig in der Tasche.
Oder ich bekomme eine E-Mail: Kannst du kurz ein Blick auf meinen Text werfen?
Die Grenze zu setzen, fällt mir schwer. Oder auch zu sagen: OK, aber dann stelle ich dir das in Rechnung.“
Fachfrau statt günstig!
Zamyat M. Klein hatte sowohl Erfahrungen aus Kundinnen-Sicht, als auch mit Gegengeschäften.
„Meine 1. Webseite machte die Freundin einer Freundin, preiswert für mich. Sie war aber nicht sehr zuverlässig, und da es ja eine „Freundin“ war, die es zu einem günstigen Freundschaftspreis machte, konnte ich keinen Druck machen, was Termine anging etc.
Daher habe ich dann irgendwann beschlossen, ich nehme lieber mehr Geld in die Hand und leiste mir eine Fachfrau, die auch verbindlich ist.
Dann hatte ich auch schon mal so Deals wie „1 Stunde Coaching gegen 1 Stunde Massage“ oder so.
Da haben wir zeitlich gegengerechnet. Nur eine Stunde Coaching bei mir war eigentlich teurer als die Massage. Also auch kein gutes Gefühl.
Das haben wir dann auch geändert und ich zahle einen Freundschaftspreis für die Massage.
Später habe ich solche Tauschgeschäfte dann mal so gemacht: Selbst wenn wir den gleichen Stundensatz hatten, dass wir uns doch gegenseitig eine Rechnung schrieben und das Geld überwiesen haben. Ich merkte, dass ich dabei einfach ein „anderes Gefühl“ hatte. Irgendwie mehr ernst genommen. Es war mein Job!
Soweit meine Geschichten zu Freundschaftsdiensten und Naturalien-Tausch.
Jetzt habe ich eine Kollegin, wo wir uns einfach gegenseitig kostenlos an unseren Workshops teilnehmen lassen, wo es ein Geben und Nehmen ist, wobei ich gefühlt deutlich mehr bekomme als gebe. Aber da ist es wohl ok, weil wir auch wirklich befreundet sind.“
Meine 2 Cents als Fazit
Ich denke, als „gestandene“ Selbständige kann man zum Thema Freundschaftspreise locker „nein, niemals!“ sagen. Denn man hat ja bereits KundInnen, dadurch auch Empfehlungen, Selbstbewusstsein, Erfahrung und alles, was sonst noch dazugehört.
Aber wenn du relativ am Anfang stehst, dann ist es legitim, mit vergünstigten Angeboten auf den Markt zu gehen. Empfehlen würde ich dir aber unbedingt, für dich selbst festzulegen, wie lange du das machst, bis du den wahren Wert anerkennst und ohne dich zu rechtfertigen, deine Preise erhöhst.
PS: Und nicht vergessen: Bleib neugierig!