Diesen Studenten-Scherz hast du sicher schon einmal gehört:
„Meine Wohnung war noch nie so sauber wie vor der Abschluss-Prüfung!“
Studenten sitzen dann nämlich in ihrer Wohnung an ihrem Computer und die Möglichkeiten, sich abzulenken sind fast unbegrenzt.
So ähnlich könnte es dir gehen, wenn du selbständig bist und im Home-Office arbeitest.
Es gibt so viele Gelegenheiten, etwas anderes zu tun, als das, was auf deiner ToDo-Liste steht! Und es gibt keinen Chef oder Kollegen, die Ergebnisse einfordern und dich von deiner Aufschieberitis abhalten!
Du weißt ganz genau, was du tun solltest. Du weißt sogar, warum du es erledigen solltest.
Aber du tust es nicht.
Und du fragst dich immer wieder:
„Vom Kopf her verstehe ich, dass ich das nicht aufschieben sollte – aber warum tu‘ ich es dann nicht einfach?“
Dieser Artikel ist ein Versuch, dir Strategien an die Hand zu geben, mit denen du deine Aufschieberitis überwinden kannst.
Darum geht's hier:
Ich verstehe nicht, warum ich so viel aufschiebe
Die gute Nachricht ist: zu prokrastinieren ist etwas völlig Normales und eigentlich nur eine Gewohnheit. Und Gewohnheiten kannst du ändern.
Schließlich bist du kein Computer und hast einfach deine guten und schlechten Momente.
Um dagegen etwas zu tun, musst du auch nicht in deiner Vergangenheit wühlen und erkennen, was in deiner Kindheit oder deiner Schulzeit schlecht gelaufen ist, dass du dir diese Gewohnheiten ins Leben geholt hast.
Du kannst allerdings deine persönlichen Auslöser fürs Auf-die-lange-Bank-schieben kennenlernen und mit deinen individuellen Gegenstrategien überwinden.
Um dieses Thema anzugehen, ist es im ersten Schritt notwendig, dich zu beobachten, wann dir fokussiertes Arbeiten am schwersten fällt.
Das betrifft sowohl den Zeitpunkt als auch die Aufgaben.
Also: Wann schiebst du besonders oft auf und was prokrastinierst du oft? Könntest du dazu ganz spontan eine Liste machen?
Wenn ja, dann schreib das gleich auf. Wenn nicht, beobachte dich ein paar Tage lang und stelle diese Liste dann auf.
Denn sich etwas bewusst zu machen ist immer der erste kleine Schritt zur Veränderung.
„Sich etwas bewusst zu machen ist der erste kleine Schritt zur Veränderung!“
Tipps gegen Prokrastination bzw. Aufschieberitis
Eine der Lieblings-Fragen meiner Kundinnen ist die nach Tipps gegen das Prokrastinieren. Aber genauso individuell wie meine Kundinnen sind, so individuell können und müssen auch die Strategien dagegen sein!
Bilde Aufschieberitis-Pärchen
Wie bereits geschrieben: Beobachte dich!
In einem Live-Meeting mit meinen Teilnehmerinnen in Home-sweet-Office haben wir folgende Übung gemacht, um den Ursachen dafür auf den Grund zu gehen.
Zuerst haben wir in einer Liste alle Tätigkeiten gesammelt, bei denen sie nicht in Schwung kamen. Das war eine durchaus eindrucksvolle Liste, mit z.B. diesen Tätigkeiten:
- Altlasten aufarbeiten (insbesondere Buchhaltung und Ablage)
- Jeder Formular- und Behördenkram (meine große Schwachstelle)
- Telefonieren
- Verkaufs-Texte schreiben (sowohl Landingpages als auch E-Mails)
- Blogartikel schreiben
Dann haben sie überlegt, wann sie aufschieben – und manchmal sind die Ursachen ganz profan:
- Wenn noch genügend Zeit übrig ist.
- Wenn sie gerade genug Geld haben.
- Sie haben das Gefühl, dass sie jetzt gerade nicht genügend Zeit haben, um mit dieser Aufgabe fertig zu werden.
- Mit Hungergefühl und bei Müdigkeit.
- Sie haben Angst vor Fehlern.
Der Blick auf diese Listen war nicht unbedingt ermutigend, aber dann ging’s weiter, die nächste Frage war nämlich:
Welche Strategien, um ihre Aufschieberitis zu besiegen, kennen sie schon? Was hat schon einmal funktioniert?
Und das Schöne war, dass es auch hier gesprudelt hat. Sie haben bereits viel öfter Gegenmittel gegen ihre Prokrastination angewendet, als ihnen bewusst war! Ein paar Beispiele:
- Hilfe holen
- Eine Prokrastinations-Aufgabe erledigen
- Denken vom Tun trennen
- Einfach dagegen entscheiden
- Für genügend Schlaf sorgen
Deine Aufgabe kann also sein, dir genau solche Listen zu machen, und dann mithilfe der Strategien, die dir schon einmal geholfen haben (oder die du kennst), Aufschieberitis-Pärchen zu bilden.
Wenn du bei dir bemerkst, dass du eine bestimmte Aufgabe oder zu einem bestimmten Zeitpunkt aufschiebst, welche der Strategien könntest du dann anwenden?
Ich bin sicher, dass du einige solcher Pärchen bilden kannst.
„WANN schiebst du WAS gerne auf? Und welche Strategie hat dir schon gegen Aufschieberitis geholfen? Mach mehr davon!“
Um dein Verhalten zu ändern, nimm dir vorerst nur eines dieser Pärchen vor und wende die Strategie immer genau dann an.
Wenn das klappt – bzw. es dir dann nicht mehr einfällt, dabei aufzuschieben, kannst du dich dem nächsten Aufschieberitis-Pärchen zuwenden.
Die Prokrastinations-Aufgaben
Meistens ist es ja so: Wenn du Dinge aufschiebst, bedeutet das, dass du diese Aufgabe durch Sinnloses ersetzt.
Also z.B. die Fenster putzt, obwohl sie blitzeblank sind. Oder du beginnst, auf Social-Media zu scrollen. Oder du schaust dir „nur noch die eine Folge“ einer Serie an.
Du könntest aber auch die bewusste Entscheidung treffen, stattdessen eine Prokrastinations-Aufgabe zu erledigen!
Das sind Aufgaben, die
- nicht viel Energie erfordern,
- dir leicht von der Hand gehen
- und unweigerlich irgendwann gemacht werden müssen.
Wenn du dir so eine Aufgabe vornimmst, kann das mehrere positive Effekte haben:
Du hast eine Entscheidung getroffen, hast ein gutes Gefühl, weil du eben nicht prokrastiniert hast (du hast ja etwas getan …) und irgendwann hättest du das sowieso erledigen müssen. Sehr oft sind das natürlich Routine-Aufgaben.
Und vielleicht holst du dabei so viel Schwung, dass du dann die ungeliebte Aufgabe in Angriff nehmen kannst!
Apropos Routine-Aufgaben – wie sieht es bei dir mit deinem Wochen-Abschluss aus? Gehst du mit freiem Kopf ins Wochenende? Falls nicht, such dir gleich aus der Checkliste eine Handvoll aus!
Ein paar meiner persönlichen Strategien gegen mein Prokrastinieren
Ja, klar schiebe ich auch auf.
Übrigens, besonders gerne, wenn ich genügend Zeit dazu habe. Inzwischen ist es für mich ein Warnsignal, wenn der Gedanke „Das kann ich auch noch …“ durch meinen Kopf zischt.
Mit Zeitaufzeichnungen den Fokus halten
Seit einigen Jahren arbeite ich bereits mit Prima:Time (hier gibts einen Artikel zu meinem Timetracking) und bemerke immer wieder den positiven Effekt:
Wenn ich den Timer gestartet habe, dann bleib‘ ich auch meistens bei dieser Aufgabe. Ich will ja schließlich nicht Minuten auf diesem Zeitkonto haben, die ich beim Scrollen auf Facebook verbracht habe.
Den ersten (und nächste) kleinsten Schritt gehen
Vor allem, wenn mir eine Aufgabe zu schwierig oder nervig scheint (siehe Formulare und Behörden …), dann erledige ich nur den kleinsten nächsten Schritt.
Und das kann sein, dass ich das Formular herunterlade und es mir in ein Trello-Kärtchen packe, die Informationen, die ich zum Ausfüllen benötige, dazuschreibe und das Kärtchen terminiere.
Das Ausfüllen ist dann der nächste kleine Schritt …
Die 2-Minuten Aufgaben
Früher habe ich gerne die E-Mails gelesen – und dann gleich wieder geschlossen. Keine Lust, Ahnung, Zeit, Nerven, das jetzt zu beantworten …
Inzwischen öffne ich den Posteingang nur noch, wenn ich mindestens 15 Minuten Zeit habe, die E-Mails nicht nur zu lesen, sondern auch zu beantworten.
Das ist die 2-Minuten-Regel, mit der ich meine ToDo-Liste möglichst schlank halte.
„Künstliche“ Dringlichkeit durch Projektplanung
Ja, es ist ein wenig Selbstbetrug – aber mir hilft es, vor allem, wenn kein „echter“ Zeitdruck besteht.
Wenn ich etwas auf meine Projekte-Liste schreibe, dann weiß ich, dass ich das in der entsprechenden Woche erledigen muss, sonst staut es sich irgendwann einmal.
Momentan sind das z.B. SEO-Aufgaben:
Das funktioniert allerdings nur, weil Aufgaben auf dem Projekte-Board für mich nach der Betreuung meiner Kurs-Gruppen absolute Priorität haben.
Mit der richtigen Musik
Gerade fürs Schreiben habe ich mich in den letzten Jahren unabsichtlich mit Musik konditioniert.
Es gibt ein paar Alben, die ich eine Zeit lang auf und ab gehört habe – und gleichzeitig auch viel geschrieben habe. Irgendwann habe ich bemerkt, dass ich wesentlich leichter ins Schreiben komme, wenn ich diese beiden Alben aufdrehe.
Als wäre ein Schalter umgelegt!
Und wenn du dich jetzt fragst, welche Alben das sind, es sind von Amos Lee „Amos Lee“ und von Eric Clapton „Unplugged“.
Ich habe mein eigenes Arbeitszimmer übrigens erst, seit meine Tochter ausgezogen ist. Und eine Strategie, als ich im Wohnzimmer arbeiten musste, war, Kopfhörer (auch ganz ohne Musik) aufzusetzen!
Schwups, ich war im Arbeits-Modus.
Denn auch daran kann deine Aufschieberitis liegen: Du bist eigentlich im Familien- oder Freizeit-Modus und schaffst es nicht, in deinen produktiven Arbeits-Modus zu kommen …
Die Podcast-Episode zum Artikel
Danke fürs Zuhören!
Wenn dir diese Episode gefallen hat, freue ich mich über ein paar Zeilen und Sternchen auf iTunes von dir!
Gibt’s eigentlich etwas Positives an Prokrastination?
Für mich ist es eindeutig nicht immer „böse“, etwas aufzuschieben. Das kann mehrere positive Funktionen haben.
Wenn du dir die Zeit gibst, abzuwarten, können sich technische oder andere Probleme durchaus von selbst lösen.
Ich habe das oft in meiner Anstellung als Programmiererin erlebt. Wenn etwas nicht und nicht klappen wollte oder immer wieder Fehlermeldungen produziert hat, war es besser, abzuwarten, als sich darin zu verbeißen.
Am nächsten Tag ist mich der Fehler quasi angesprungen und die Sache war in 5 Minuten erledigt.
Der Grund fürs Prokrastinieren kann auch sein, dass du einen inneren Widerstand aufbaust, weil du von deinem Kopf aus weißt, dass du diese Aufgabe erledigen solltest. Aber das Gefühl folgt dem Kopf nicht.
Wenn dein Widerstand dagegen immer größer wird, kannst du dich auf den Kopf stellen, er wird selten bzw. schwer durch Aktionismus verschwinden.
Aber vielleicht durch Loslassen und abwarten!
Fazit und Beruhigung
Es ist ganz normal, dass du Aufgaben aufschiebst. Solange es nicht alle sind.
Aber mach‘ dir bewusst, dass jede Aufschieberitis-Aktion dazu führt, dass du die betreffende Aufgabe in deinem Kopf unnötig aufbläst.
Wie oft höre ich von meinen Kundinnen: „Wenn ich gewusst hätte, dass das in 10 Minuten erledigt ist, hätte ich es nicht so lange aufgeschoben.“
Dann sollte es für dich leichter sein, die Luft rauszulassen und einfach damit anzufangen. Die Belohnung dafür ist dir ganz sicher: tiefe Zufriedenheit mit dir und der Welt!
PS: Und nicht vergessen: Bleib neugierig!
Liebe Claudia, mal wieder ein genialer Artikel von dir. Ich bin ja auch so eine Kandidatin, aber durch den CPC bin ich jetzt an dem Punkt, dass ich Hausarbeit prokrastiniere und lieber einen Blogartikel schreibe Und das funktioniert weil ein gut funktionierendes System dahinter liegt – allerdings würde ich frech von einem ganzen Anti-Prokrastinierungsteam sprechen, das da am Werk ist: von dem Monatsplan über den Kursbereich bis zur Bömmelkarte. Und da ich aus der handwerklichen Ecke komme, noch ein tröstlicher Tipp: Gut Ding will Weile haben … wie dieser Blogartikel
Liebe Beatrix,
wie genial ist DAS denn? Hausarbeit prokrastinieren – da bin ich sofort dabei ;-). Vielen Dank für diesen Einblick!
Liebe Grüße
Claudia
Ein sehr schöner Beitrag mit vielen wertvollen Tipps und Infos. Ich denke, es geht vielen Leuten so. Ich sehe das in meinem Büro- u. Kanzleiservice nicht nur bei Privatpersonen, sondern vor allem anderweitig.